BGH stärkt Zeitungsverlage: Tagesschau-App wird neu geprüft

Nun hat sich der Bundesgerichtshof auf die schwierige Suche nach Grenzlinien zwischen Rundfunk und Presse begeben. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv
Nun hat sich der Bundesgerichtshof auf die schwierige Suche nach Grenzlinien zwischen Rundfunk und Presse begeben. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv

Nach einer schwierigen Gratwanderung zwischen Rundfunk- und Pressefreiheit hat der Bundesgerichtshof entschieden:

Rundfunkangebote dürfen nicht presseähnlich sein. Der Konflikt zwischen Zeitungen und ARD geht nun wieder ans OLG Köln. Im jahrelangen Konflikt um die «Tagesschau»-App der ARD haben die Zeitungsverlage einen wichtigen Etappensieg errungen: Der Bundesgerichtshof (BGH) folgte ihrer Beschwerde gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln, das die Anwendung für Smartphones und Tablets für rechtmäßig erklärt hatte.

Jetzt müssen die Kölner Richter neu über den Fall verhandeln und prüfen, ob es sich bei den Inhalten der App im Wesentlichen um ein presseähnliches Angebot handelt. Solche aber untersagt der Rundfunkstaatsvertrag. Der Vorsitzende Richter im I. Zivilsenat des BGH, Wolfgang Büscher, machte dem OLG präzise Vorgaben, wie es bei der Prüfung vorzugehen habe. In dem für die Klage maßgeblichen Angebot vom 15. Juni 2011 müssen zunächst alle Beiträge ausgewählt werden, die sich nicht auf bestimmte ARD-Sendungen beziehen. Dann ist zu untersuchen, ob diese Beiträge in ihrer Gesamtheit als presseähnlich einzustufen sind. «Das ist der Fall, wenn bei diesem Angebot der Text deutlich im Vordergrund steht.»

Der Richter hatte diese Linie bereits in der Verhandlung angedeutet und erklärt: «Charakteristisch für presseähnliche Angebote sind Texte und stehende Bilder.» Hingegen hatte Anwalt Thomas von Plehwe für die ARD-Sender betont, dass das Schreiben und Lesen von Text eine allgemeine Kulturtechnik sei, die nicht auf einzelne Mediengattungen beschränkt werden könne: «Presseähnlich heißt nicht Text.»

Von Plehwe betonte, dass die Grundlage für die «Tagesschau»-App, das Telemedienkonzept für das Online-Angebot tagesschau.de, 2010 vom Rundfunkrat beschlossen und von der niedersächsischen Staatskanzlei freigegeben worden sei. Die öffentlich-rechtlichen Sender betrachten die App lediglich als ergänzenden technischen Verbreitungsweg für die Inhalte ihres Online-Angebots tagesschau.de.

Für die klagenden Zeitungsverlage führte Anwalt Axel Rinkler aus, dass das Angebot der «Tagesschau»-App in weiten Teilen von «reiner Textberichterstattung» geprägt werde. Wenn dies zulässig sei, würde das Verbot presseähnlicher Angebote im Rundfunkstaatsvertrag ins Leere laufen. Die Zeitungsverlage hätten kaum die Möglichkeit, eigene kostenpflichtige Apps zu entwickeln, «solange die öffentlich-rechtlichen Sender kostenlose Angebote bereitstellen, die bereits gebührenfinanziert sind». Deswegen werfen die Verlage den Sendern unlauteren Wettbewerb vor.

Schon das Landgericht Köln war im September 2012 der Klage der Zeitungsverlage gefolgt, unter ihnen die FAZ und der Springer-Verlag. Das Oberlandesgericht Köln hatte die Klage dann aber im Dezember 2013 abgewiesen.

Lutz Marmor, Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR) und Vorsitzender der ARD, zeigte sich indes für den weiteren Verlauf des Verfahrens optimistisch: «Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass auch unser damaliges tagesschau.de-Angebot rechtlich zulässig war», zitierte ihn der NDR in einer Mitteilung. «Insoweit sehen wir den Gründen der BGH-Entscheidung mit großem Interesse entgegen. Mit Blick auf die erneute Verhandlung in Köln sind wir zuversichtlich. Unabhängig davon haben wir unseren Online-Auftritt in den vergangenen dreieinhalb Jahren weiterentwickelt. Auch für Kooperationen mit Verlagen sind wir weiterhin offen.»

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) begrüßte die BGH-Entscheidung. «Damit ist klar, dass das bloße Vorhandensein eines Telemedienkonzepts keinen Freifahrtschein für jedwedes Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet», erklärte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff.

Juristisch erfolgreich waren die Verlage nur mit ihrer Klage gegen den NDR. Die gleichzeitige Revision hinsichtlich der Klage gegen die ARD wurde abgewiesen - mit der Begründung, dass die ARD als Zusammenschluss von Sendern «als solcher nicht rechtsfähig ist und nicht verklagt werden kann».

dpa